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Welt-Standards für technische Innenausstattungen von Yachten aus Dresden-Hellerau

Andrea Weißig, Prof. Steffen Tobisch, MdB Kassem Taher Saleh, Michael Dupke (v.l.)

Permanente Innovation plus Hightech plus Handwerkskunst – fasst den heutigen Alltag zur Produktion exklusiver Inneneinrichtungen von Yachten in den bereits 1898 gegründeten Deutschen Werkstätten (DW) zusammen. Mit dem Einsatz von Digitalisierung und Forschungsaffinität verbindet Michael Dupke die Neuorientierung des Handwerks, betonte der Geschäftsführer und Betriebsleiter der Deutschen Werkstätten Hellerau GmbH während eines Austausches zur weltweit einmaligen Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) mit Vertretern aus seinem Unternehmen, der Bundespolitik und Forschungseinrichtungen am 1. Juli 2022 am Firmensitz in Dresden-Hellerau.

Tradition und Moderne

Höchste Ansprüche an Engineering und Produktion, moderne Herstellungsverfahren, Forschung und Entwicklung bis hin zu innovativen Arbeitsabläufen haben in den Deutschen Werkstätten eine bis heute über 120-jährige Tradition: Anfang des 20. Jahrhunderts gehörten sie zu den bedeutendsten Herstellern von Möbeln nach Entwürfen von namhaften Gestaltern und Architekten. Dresden-Hellerau mit der Gartenstadt, dem Festspielhaus und den Deutschen Werkstätten wurde zum Labor der Lebensreformbewegung. „Hier hat eine Gruppe von Leuten etwas ganz Besonderes geschaffen. Nicht, um vor allem Geld zu verdienen, sondern weil ihnen klar war: Wir können die Welt nicht so lassen, wie sie ist“, hob Fritz Straub, geschäftsführender Gesellschafter der Deutschen Werkstätten hervor. Fritz Straub kaufte das Unternehmen 1992 von der Treuhand, war sich der besonderen Geschichte des Ortes bewusst und erklärte, dass die Idee von damals die Arbeit der Deutschen Werkstätten von heute nach wie vor beeinflusst.

Dieses Erbe sei heute quicklebendig: So engagieren sich die Deutschen Werkstätten mit weiteren Partnern seit 2011 dafür, den UNESCO-Titel eines Weltkulturerbes nach Hellerau zu holen. Selbst in der Zeit nach der Verstaatlichung 1951 in der DDR wurden hier der DW-bekannte Erfindergeist und auch Exklusivität weitergelebt - etwa bei der spanlosen Verformung von Lagenholz mittels Hochfrequenz und Infrarotlicht. Durch den damit verbundenen technologischen Fortschritt konnte Zeit und Material eingespart werden. Mit weniger Holz stabile und schöne Möbel in großer Menge herzustellen, war ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung des Nachkriegsmangels. Ab 1967 wurde hier fast ein Vierteljahrhundert lang das Möbelprogramm Deutsche Werkstätten (MDW) in großen Stückzahlen produziert. In der „Abteilung Sonderfertigung“ arbeiteten 80 Tischler, die die Dresdner Semperoper, das Gewandhaus in Leipzig in den 1970er und 1980er und Regierungsgebäude in Ostberlin bereits ab den 1950er Jahren ausbauten.

Idee einer „Akademie der Deutschen Werkstätten“

Der in der Tradition seines Hauses bewussten, modernen Arbeitsweise entsprechend ist Straub wichtig: „Der Ehrgeiz, immer höhere Qualität zu erreichen, ist der Motor der Deutschen Werkstätten. Wer etwas besser machen will, muss sich intensiver, länger und ausführlicher mit einer Aufgabe beschäftigen.“ Eine weitere Besonderheit der Deutschen Werkstätten ist die Lust am Experiment. Mit flachen Hierarchien und einem hohen Maß an Eigenverantwortung geben sie ihren mehr als 400 Mitarbeitenden, darunter Tischler mit Technikexpertise, Ingenieure, Konstrukteure, verschiedene kaufmännische Angestellte und (Projekt-)Manager, die Möglichkeit, Innovationen täglich mitzugestalten oder selbst zu entwickeln. Eine wahrhaft breite Bildung für die Herstellung außergewöhnlicher, ja einmaliger Produkte ließ darüber hinaus die Idee einer „Akademie der Deutschen Werkstätten“ reifen. Es soll ein Ort, an dem neben herausragendem Fachwissen auch der besondere Geist von Hellerau an künftige Mitarbeitende vermittelt wird, entstehen.

Forschung und Entwicklung

Die Deutschen Werkstätten haben im Jahr 2000 den Markt des exklusiven Innenausbaus von Yachten erschlossen. In dieser Branche sind die Projekte höchst individuell und werden ständig komplexer. Das Unternehmen realisiert dabei die komplette Planung und Fertigung, die neben Möbeln, Wänden und Decken auch die Integration der gesamten Technik beinhaltet. „Der Anspruch unserer Auftraggeber ist ein einmaliges Produkt. Deshalb können wir bei so gut wie keinem Projekt auf bereits Dagewesenes zurückgreifen“, betonte Michael Dupke. Dabei unterstreicht er die langjährige Arbeit der eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung sowie deren Ansatz der kooperativen Forschung im Verbund mit verschiedenen Forschungseinrichtungen. „Wir messen uns mit den weltweit allerhöchsten Standards oder schaffen sie sogar selbst“, so der Betriebsleiter weiter.

Aktuell forschen die Deutschen Werkstätten gemeinsam mit der Technischen Universität Dresden an einer verbesserten Verformung von Leichtbauteilen, die eine deutliche Gewichtsreduzierung ermöglichen und bei der alltäglichen Arbeit im Yachtinnenausbau zum Einsatz kommen können. Die Abteilung „Forschung & Entwicklung“, die seit 2008 besteht, umfasst vier Mitarbeitende und zusätzliche studentische Kräfte. In einem eigenen Labor werden nahezu alle Materialien, bevor sie verbaut werden, untersucht. Denn die Herausforderungen auf den Weltmeeren sind extrem: Beispielsweise wechselnde Lichteinwirkung und Klimabedingungen strapazieren die Werkstoffe dauerhaft. Das Ziel ist, den Originalzustand der exklusiven Einbauten langfristig zu erhalten. Deshalb werden im Labor umfangreiche Testreihen - immer mit dem Ziel der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse - gefahren.

Engagement innerhalb der Industriellen Gemeinschaftsforschung

Je nach den Anforderungen innerhalb der Projekte nutzen die Deutschen Werkstätten die Expertise mehrerer Forschungsinstitute aus Sachsen und anderer Bundesländer. Wiederum bringt das Unternehmen aus Dresden-Hellerau seine fachlichen Erfahrungen und Kompetenzen in Projektbegleitenden Ausschüssen innerhalb der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) ein. In zwei der jüngsten IGF-Vorhaben sind neue flammhemmende Bindemittel für Holz- und Holzwerkstoffbeschichtungen sowie PUR-Schmelzklebstoffe zur dauerhaften Verklebung unterschiedlicher Materialien entwickelt worden.

Die Industrielle Gemeinschaftsforschung ist ein Katalysator für das Innovationsgeschehen in Deutschland. „Damit wird die Innovationsfähigkeit vieler kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) unterstützt. Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) finanzierte IGF ermöglicht dem deutschen Mittelstand eine anwendungs- und transferorientierte, branchenübergreifende Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen“, betonte Professor Steffen Tobisch, Geschäftsführer des Trägervereins Institut für Holztechnologie Dresden e.V. – TIHD, der eines von 100 Mitgliedern der AiF ist. Mit ihrem Netzwerk koordiniert die AiF die Durchführung der Industriellen Gemeinschaftsforschung im Auftrag des BMWK.

Einblick in Bedarf anwendungsorientierter Forschung

Der Bundestagsabgeordnete und Diplom-Bauingenieur Kassem Taher Saleh (Bündnis 90/Die Grünen) zeigte sich beeindruckt von der sehr breiten Wirkungsweise der Industriellen Gemeinschaftsforschung und dass diese sehr bedarfsgerechte Ergebnisse für den Mittelstand bringt. Er erklärte: „Nachhaltigkeit im Umgang mit der wichtigen und wertvollen Ressource Holz ist mir sehr wichtig. Ich danke der AiF für diesen eindrucksvollen Termin in den Deutschen Werkstätten Hellerau in Dresden und den Einblick in Zusammenhänge zwischen Ausbildung, dem laufenden Bedarf an anwendungsorientierter Forschung und wichtiger Standortförderinstrumente.“ Saleh ist Obmann im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen sowie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie des Deutschen Bundestages. Er hat seinen Wahlkreis in der sächsischen Landeshauptstadt.

Das Bundeswirtschaftsministerium stellte 2021 Fördermittel in Höhe von etwa 200 Millionen Euro für die IGF bereit. Davon wurden etwa 15 Prozent für Vorhaben der Industriellen Gemeinschaftsforschung an Forschungseinrichtungen in Sachsen eingesetzt. „Damit ist der Freistaat seit Jahren Nummer eins in Ostdeutschland und bundesweit auf Platz zwei“, würdigte Andrea Weißig, Geschäftsführerin Forschungspolitik der AiF, das sächsische Innovationspotenzial. (frd)