Wer hätte gedacht, dass Chitin, bekannt als der harte Panzer von Insekten und Krustentieren, für die Herstellung von luftdurchlässigen Vliesstoffen oder medizinischen Wundauflagen zum Einsatz kommen kann. Doch was wenig bekannt ist: In der Natur spinnen verschiedene Insekten ihren Kokonfaden aus der hornigen Substanz. Chitin besteht aus vielen miteinander verbundenen stickstoffhaltigen Zuckerbausteinen. Ähnlich wie das Biopolymer Cellulose bei Pflanzen, besitzt es für viele wirbellose Tiere eine Stützfunktion.
Im Rahmen eines IGF-Vorhabens des AiF-Mitglieds Forschungskuratoriums Textil e.V. gelang es Wissenschaftlern der Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF) Denkendorf, Cellulose mit Chitin zu einer Mischfaser zu verbinden.
Während es für Fasern aus Cellulose bereits etablierte Verarbeitungsprozesse (Lyocell- und Viskoseverfahren) gibt, ist Chitin nur schwer löslich, da seine Struktur deutlich komplexer ist. Üblicherweise wird Chitin bei hohen Temperaturen unter Verwendung starker mineralischer Säuren und Laugen gelöst und von Protein und Kalziumkarbonat getrennt.
Für jedes Problem eine Lösung
Ionische Flüssigkeiten stellen eine umweltfreundliche Alternative zur Herstellung von Biopolymerfasern aus Cellulose und Chitin dar. Sie bestehen aus Salzen, die bereits bei Temperaturen unter 100 Grad Celsius flüssig sind und können viele Polymere lösen. Mithilfe solcher nicht toxischen, rezyklierbaren Lösungsmittel können Cellulose und Chitin erstmals in einem Prozessschritt miteinander verbunden werden.
Krabbenschalen als wertvolle Ressource
Gewonnen wird das Chitin aus Krabbenschalen. Statt der Entsorgung von jährlich mehreren tausend Tonnen weltweit, haben die Textilforscher einen Weg gefunden, einen Teil als wertvollen Rohstoff umweltfreundlich weiterzuverarbeiten.
Entstanden ist eine biologisch abbaubare Mischfaser, die zu annähernd gleichen Teilen aus Chitin und Cellulose besteht. Im Vergleich zu reinen Cellulosefasern ist ihr Wasserrückhaltevermögen um 20 bis 60 Prozent höher. Das gespeicherte Wasser kann zu einer schnelleren Wundheilung beitragen. Dazu ist die Faser gleichzeitig luftdurchlässig und eignet sich daher ideal für medizinische Anwendung wie die Herstellung von Wundauflagen.
Im Vergleich zu den Produkten aus Chitosan, die bisher auf dem Markt erhältlich sind, entfällt bei Chitin der chemische Umwandlungsprozess und damit ein wesentlicher Kostenfaktor.
Die innovative Mischfaser ermöglicht eine problemlose Weiterverarbeitung über Web-, Strick- und Vliesstoffe. Der wirtschaftliche Produktionsprozess und die Eigenschaften des Materials verschaffen vor allem mittelständischen Unternehmen einen großen Vorteil im Bereich der Medizintextilien und technischen Textilien.
Forschungsvereinigung
Forschungskuratorium Textil e.V.
Forschungseinrichtung
Foto „Krabbe“: © später/pixelio, „Foto Fasern und Textilien aus Cellulose-Chitin-Mischfasern“: © DITF