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EFI: Zeitenwende auch in der Innovationspolitik notwendig

Prof. Guido Bünstorf, Prof. Friederike Welter, Prof. Till Requate, Prof. Carolin Häussler, Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger, Prof. Uwe Cantner, Prof. Irene Bertschek (v.l.)

Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat ihr aktuelles Gutachten zur Forschung, Innovation und technologischen Leistungsfähigkeit am 15. Februar 2023 an den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz übergeben. Im Schatten des Ukrainekrieges, der der Bundesregierung große sicherheitspolitische Herausforderungen abverlangt, dürfen laut EFI die Bewältigung der großen Transformationen, wie Dekarbonisierung und Digitalisierung, nicht auf der Strecke bleiben. Die Kommission mahnt an, dass die Bundesregierung, die nun seit über einem Jahr im Amt ist, trotz der wenige Tage zuvor verabschiedeten Zukunftsstrategie Forschung und Innovation zu wenig vorangekommen ist.

Um dem in der Zukunftsstrategie ausgeführten Bedarf an zahlreichen technologischen und sozialen Innovationen wirkungsvoll zu begegnen, müssten vielfältige Maßnahmen aus verschiedenen Politikfeldern zusammenwirken. Jedoch sind die aktuellen innovations- und transformationsbezogenen Strategien der unterschiedlichen Ressorts kaum miteinander verzahnt und abgestimmt. „Die Rahmenbedingungen für Innovationen sind denkbar schlecht“, erklärt der Vorsitzende der Expertenkommission, Professor Uwe Cantner von der Universität Jena.

Projektträgersystem reformieren – AiF-Netzwerk macht Transformation „anfassbar“

In diesem Zusammenhang fordert die Expertenkommission unter anderem, das Projektträgersystem zu reformieren. So ist eine missionsbezogene Bündelung von Forschungs- und Innovationsprogrammen bei den Projektträgern und eine stärker ergebnisorientierte Steuerung der Fördermittelverwendung angeraten. „Den Projektträgern sollten zudem mehr Spielräume bei der Umsetzung von Maßnahmen gewährt werden“, heißt es deutlich in dem Papier.

Das befürwortet der AiF-Hauptgeschäftsführer Professor Michael Bruno Klein und betont: „Gerade die AiF mit ihren 100 branchen- und querschnittsthemenbezogenen Forschungsvereinigungen kann im Sinne einer modernen Projektagentur flexibel agieren. Unser AiF-Gutachtersystem – hunderte unabhängige Gutachterinnen und Gutachter paritätisch aus Wirtschaft und Wissenschaft – und insbesondere unsere innovativen Vernetzungs- und Transferinstrumente, wie die Forschungs- und Transferallianzen und das AiF InnovatorsNet, garantieren die Förderung von Projekten mit Relevanz und branchenübergreifender Breitenwirkung, Zugänge und effiziente Agilität. Auch erleben wir seit Jahren einen deutlichen Zuwachs von Projekten zu Rohstoff- und Energieeinsparungen, Nutzung von Wasserstoff, Energiewende, Digitalisierung bis hin zur Kreislaufwirtschaft. Dies bezeugt eindrücklich, dass im System der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) und AiF die Transformation mit Nachdruck und Geschwindigkeit angegangen wird. Diese Projekte machen den Transformationsprozess in der Wirtschaft direkt ‚anfassbar‘ und die so gewonnene Erfahrung und Kompetenz bringen wir zukünftig verstärkt ein, um die notwendige Transformation im Mittelstand noch weiter zu beschleunigen.“

Die EFI-Forderung nach einem neuen, agilen Politikstil und einer dazu passenden Governance-Struktur greift Klein mit dem Hinweis auf, dass die AiF dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) einen Mittelstands-Pakt für Wasserstoff als Baustein eines Mittelstands-Pakts für Transformation vorgeschlagen habe. „Die AiF wandelt sich von einem soliden Programmverwalter zu einem aktiven Gestalter und bringt sich daher engagiert in den BMWK-Aktionsplan ‚Mittelstand, Klimaschutz und Transformation‘ sowie in den Aufbau der DATI ein“, erklärt der AiF-Hauptgeschäftsführer. „Nicht zuletzt bietet die Zusammenarbeit von jungen Forschenden mit Forschungsvereinigungen und Unternehmen im Rahmen der AiF einen Weg, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Immer wieder wechseln sie nach der Forschungskooperation von der Hochschule in ein Unternehmen.“

Ständiger Zukunftsausschuss gefordert

Cantner fordert auch in der Innovationspolitik eine Zeitenwende: „Nur auf diese Weise wird sich in Wirtschaft und Gesellschaft eine Aufbruchsstimmung erzeugen lassen, die für die Umsetzung der Transformationen enorm wichtig ist“, so Cantner weiter. Die EFI empfiehlt, einen ständigen Zukunftsausschuss einzurichten. Er sollte Ziele zu innovations- sowie transformationsbezogenen Themen abstimmen sowie einschlägige Strategien – etwa die Zukunftsstrategie Forschung und Innovation, die Digitalstrategie und die Start-up-Strategie – koordinieren und festzulegen. Dieser Ausschuss müsste im Bundeskanzleramt verankert und von dessen Chef geleitet werden. Auf diese Weise kommt den Transformationen höchste politische Priorität zu. Um eine hohe Verbindlichkeit zu schaffen,
sollte er dem Bundeskabinett sowie dem Parlament regelmäßig und ergebnisorientiert Rechenschaft ablegen. Die hier festgelegten Strategien werden an die Ressorts beziehungsweise ressortübergreifende Teams übergeben und dort über Roadmaps, Meilensteine und fortlaufende Evaluationsschleifen in die Umsetzung gebracht. (frd)

Download: Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2023 der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI)


Foto: © David Ausserdorfer