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„Mr. Wasserstoff“: Unsere ganze Innovationskraft ist gefragt

v.l. Andrea Weißig, Prof. Michael Bargende, MdB Dr. Stefan Kaufmann, Dietmar Goericke, Christine Burkhardt (GF EnginOS GmbH, Ostfildern), Dr. Rudolf Maier (Robert Bosch GmbH, Stuttgart)

In Stuttgart wurde das erste Auto Europas auf Wasserstoff umgerüstet – das war bereits Ende der 1970er Jahre. Das Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren (FKFS) in der baden-württembergischen Landeshauptstadt war damals schon seiner Zeit voraus und leistet auch heute Pionierarbeit in der Fahrzeugantriebsforschung.

Wasserstoff gilt als ein Baustein der Energiewende. In der Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung von Juni 2020 heißt es: „Wasserstoff ist ein vielfältig einsetzbarer Energie­träger. Er kann zum Beispiel in Brennstoffzellen die wasserstoffbasierte Mobilität befördern und zukünftig als Basis für synthetische Kraft- und Brennstoffe genutzt werden.“

Nicht nur der Pkw, auch Nutzfahrzeuge, schwere Bau- und Landtechnikmaschinen oder Schiffe und Flugzeuge benötigten zur Senkung ihrer CO2-Emissionen dringend alternative Energieträger, wie Wasserstoff, E-Fuels oder auch Ammoniak. Dazu gäbe es erheblichen Forschungsbedarf, erklärte Dietmar Goericke, Geschäftsführer Forschung und Entwicklung des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), verantwortlich für die vorwettbewerbliche Forschung zwischen Industrie und Wissenschaft und die Forschungspolitik des Verbandes sowie Geschäftsführer des Forschungskuratoriums Maschinenbau e.V. (FKM), der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e.V. (FVV) und der Forschungsvereinigung für Luft- und Trocknungstechnik (FLT) e.V. am 7. Juli 2021 in Stuttgart und führte fort: Unsere Forschungsvereinigungen haben aktuell mehr als 20 Projekte der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) laufen bzw. geplant, die diese Entwicklung grundlegend und branchenübergreifend voranbringen können. Hier wird unter anderem an leistungsfähigen Motoren bei einer erhöhten Wasserstoffkonzentration im Gasnetz und zu daraus folgenden Lösungen für die Gaswirtschaft und die Motorenindustrie geforscht. In einem anderen Projekt steht die Analyse der Leistungsfähigkeit von selbstgezündeten Wasserstoffmotoren im geschlossenen Arbeitsgas-Kreislauf im Vordergrund. Zur Verbesserung der Kooperation und Vernetzung in der Wasserstoffforschung im Rahmen der Industriellen Gemeinschaftsforschung setzen wir auf die Forschungs- und Transferallianz Wasserstoff (FTAW) der AiF. Innerhalb FTAW kooperieren mindestens 15 Forschungsvereinigungen aus sehr unterschiedlichen Branchen, um Technologien zur Gewinnung, Speicherung, Verteilung und Nutzung von Wasserstoff weiterzuentwickeln. Ziel ist es, die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) aus der Fahrzeugindustrie, dem Maschinenbau, aber auch der Grundstoff- bis hin zur Stahl- und Zementindustrie, bedarfsorientiert zu steigern.“

Mit herausragender angewandter Forschung starker Industriestandort bleiben

Dr. Stefan Kaufmann, der Innovationsbeauftragte „Grüner Wasserstoff“ beim Bundesministerium für Bildung und Forschung und Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages – auch bekannt als „Mr. Wasserstoff“ - kam mit dem Geschäftsführer mehrerer Forschungsvereinigungen Dietmar Goericke, dem FKFS-Vorstandsmitglied und Lehrstuhlinhaber Fahrzeugantriebe Professor Michael Bargende, der AiF-Geschäftsführerin Forschungspolitik Andrea Weißig sowie Unternehmensvertretern der Fahrzeugindustrie im FKFS in Stuttgart zu einem fachlichen Austausch zusammen und betonte: „Grüne Wasserstofftechnologien sind ein Schlüssel für das Gelingen der Energiewende. Damit der Hochlauf einer grünen Wasserstoffwirtschaft gelingt, brauchen wir alle: Wirtschaft und Wissenschaft, kleine, mittlere und große Unternehmen. Unsere ganze Innovationskraft ist gefragt. Entscheidend ist, dass sich die Unternehmen individuell mit ihren Chancen im Bereich Wasserstoff auseinandersetzen. Denn die Chancen sind vielfältig und die deutschen Potenziale groß, gerade zum Beispiel im Maschinen- und Anlagenbau. Bei den Wasserstoff-Leitprojekten des Bundesforschungsministeriums sind rund ein Drittel der Unternehmenspartner aus dem Mittelstand. Ich werde mich weiter dafür einsetzen, dass auch der Mittelstand die Chancen bei grünen Wasserstofftechnologien nutzen kann. Das Interesse bei den Unternehmen ist groß, das hat der heutige Dialog mit Vertretern aus Wirtschaft und Forschung erneut gezeigt. Deutschland muss auch in Zukunft ein starker Industriestandort bleiben. Das gelingt nur mit Innovationen und Technologieoffenheit sowie herausragender angewandter und transferorientierter Forschung.“

Innerhalb der Industriellen Gemeinschaftsforschung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie kooperieren Unternehmen und andere Forschungseinrichtungen mit dem Institut für Fahrzeugtechnik Stuttgart (IFS) der Universität Stuttgart und bringen ihre Expertise in konkrete, bedarfsgerechte Forschungsvorhaben ein.  „Unser wichtigstes aktuelles IGF-Projekt in Sachen Wasserstofftechnologie ist das Forschungsvorhaben „DI-Wasserstoff-Brennverfahren“, das im Rahmen des CORNET-Programms zusammen mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Schweiz) bearbeitet wird. Die Herausforderungen bei der motorischen Verbrennung von Wasserstoff liegen in der geringen volumetrischen Energiedichte und der hohen Klopfneigung von Wasserstoff sowie der Entstehung von Stickoxiden bei dessen Verbrennung mit Umgebungsluft. Im Rahmen des Vorhabens sollen daher Lösungen für die genannten Punkte erarbeitet werden. Die erzielten Ergebnisse sollen wichtige Erkenntnisse über das Grenzpotenzial des Wasserstoffs für die motorische Verbrennung in mobilen Anwendungen liefern und dabei helfen die CO2-Emissionen im Verkehrssektor weiter zu reduzieren“, stellte Professor Bargende aktuelle Forschungsprojekte vor. Ein Grundprinzip dieser weltweit einmaligen Förderung ist, dass die Forschungsergebnisse dem Mittelstand branchenübergreifend zur Verfügung gestellt werden. (frd)