Innovationsstandort Europa für effiziente Blechverarbeitung

16.5.2025 – Die Trommel der Waschmaschine, Kotflügel an Autos, Fahrradschutzbleche, Kochtöpfe bis hin zum Schiffskörper oder Kirchendach – ohne Bleche aus Stahl, Aluminium oder Messing ist unser Alltag undenkbar. „Für die Herstellung und Verarbeitung von Blechen sind hoch automatisierte Produktionsprozesse notwendig, die so ressourcen- und energieeffizient wie möglich gestaltet werden müssen. Die Blechverarbeitung steht im Zentrum vieler Schlüsselindustrien Europas und trägt maßgeblich zur Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft bei“, erklärte Daniel Rosenbusch, Geschäftsführer der Europäischen Forschungsgesellschaft für Blechverarbeitung e.V. (EFB), am 6. und 7. Mai 2025 auf dem 43. EFB-Kolloquium vor internationalen Expertinnen und Experten in Würzburg.
Internationale Experten diskutieren Einsatz von KI bis kreislaufwirtschaftliche Forschung
Mehr als 100 Fachleute aus verschiedenen Ländern tauschten sich in der Mainmetropole aus, um Innovationen in diesem Bereich voranzubringen. „Im Fokus der internationalen Veranstaltung standen der Wissenstransfer zwischen Industrie und Forschung zugunsten einer funktionierenden Blechverarbeitung unter Berücksichtigung von z.B. Kreislaufwirtschaft oder energieeffizienter Herstellungsverfahren“, so Rosenbusch weiter. Die EFB ist ein Expertennetzwerk, das Industrieforschung in Kooperation mit innovativen Unternehmen und Forschungseinrichtungen realisiert. Unter der Überschrift „Innovationsstandort Europa – Effiziente Blechverarbeitung: Pressen, Systeme, Prozesse“ diskutierten Expertinnen und Experten den Einsatz zukunftsorientierter Systeme und Künstlicher Intelligenz sowie nachhaltige Prozesse. „Ziel war es, neue Maßstäbe in der Blechverarbeitung zu setzen, insbesondere mit einer ressourceneffizienten Produktion oder der Digitalisierung von Fertigungsprozessen“, betonte Rosenbusch.
„Musterbeispiel für erfolgreiche Innovationsförderung“
Dr. Matthias Heider, Geschäftsführer der AIF – Allianz für Industrie und Forschung e.V., betonte in seinem Grußwort zum Kolloquium die Bedeutung des jahrzehntelangen Forschungsengagement der EFB: „Die Europäische Forschungsgesellschaft für Blechverarbeitung ist seit ihrer Gründung im Jahr 1949 ein wesentlicher Bestandteil der industriellen Gemeinschaftsforschung. Als AIF-Mitglied der ersten Stunde trägt sie seit 1954 maßgeblich dazu bei, praxisnahe Forschungsvorhaben zu initiieren und umzusetzen, die insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen zugutekommen.“ Weiter hob er hervor: „Die industrielle Gemeinschaftsforschung ist und bleibt ein bewährtes Konzept. Der Grundgedanke hat auch nach sieben Jahrzehnten nichts von seiner Überzeugungskraft verloren: Weil er durchdacht ist, weil er sich weiterentwickelt, weil er Fortschritt ermöglicht, weil er Innovationen vorantreibt, weil er Wissen vernetzt, weil er den Standort stärkt und weil er die Zukunft mitgestaltet. Die enge Zusammenarbeit zwischen Industrie und Forschung, wie sie auch hier auf dem Kolloquium gelebt wird, ist ein Musterbeispiel für erfolgreiche Innovationsförderung.“
Eine Milliarde Euro zur Förderung von Industrieforschung
Die EFB ist Mitglied der AIF – Allianz für Industrie und Forschung e.V., die sich für die Stärkung der Innovationskraft, Weltmarkt- und Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen aus Mittelstand und Industrie seit sieben Jahrzehnten engagiert. Die AIF setzt sich für eine Stärkung der Industrieforschung ein und fordert insgesamt eine Milliarde Euro für die drei Förderprogramme Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF/300 Millionen. Euro), Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM/600 Millionen Euro) und Innovationskompetenz INNO-KOM (100 Millionen Euro). „Als Wirtschaftsstandort sind wir bekanntermaßen auf eine starke Industrie angewiesen – und diese drei Förderprogramme leisten dazu einen wichtigen Beitrag“, erklärte Heider in Würzburg.
Auszeichnung von Forschungsprojekten und Ausstellung
Am zweiten Veranstaltungstag wurden unter anderem Forschungsprojekte zu zukunftsfähigen Umformprozessen oder aktuellen Trends im Karosseriebau vorgestellt.
Zuvor waren junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich der angewandten Forschung und der technologischen Weiterentwicklung der Blechverarbeitung verschrieben haben, in Würzburg ausgezeichnet worden. Die EFB-Exzellenzpreise gehen jährlich an junge Forschende, deren Arbeiten im Rahmen der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) entstanden sind und sich durch innovative Ansätze, praktische Umsetzbarkeit hervorheben. Hier die Preisträgerinnen und Preisträger 2025 im Überblick:
- M. Sc. Pascal Heinzelmann (Institut für Umformtechnik (IFU), Universität Stuttgart)
entwickelte mit der „Herstellung crashoptimierter Blechbauteile mittels Prägen“ ein Verfahren zur lokalen Strukturverfestigung von Blechbauteilen. Ziel ist eine direkte Verbesserung des Crashverhaltens, ohne zusätzliche Fertigungsschritte zu integrieren. Die methodisch fundierte Arbeit liefert wertvolle Impulse für die Entwicklung energieeffizienter und sicherer Fahrzeugstrukturen. - M. Sc. Jan Wippermann (Laboratorium für Werkstoff- und Fügetechnik, Universität Paderborn) und Dipl.-Ing. Franziska Schützelt (Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik in Dresden) entwickelten „Verfahrensflexible Halbhohlstanzniet-Clinch-Werkzeuge für das mechanische Fügen“. Die innovative Lösung, die sowohl das Clinchen als auch das Halbhohlstanznieten in einem System ermöglicht, verringert Umrüstzeiten, erhöht die Prozesssicherheit und unterstützt die Anpassungsfähigkeit moderner Produktionslinien.
- M. Sc. Jonas Moske (Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen – PtU, TU Darmstadt) und M. Sc. Hasan Kutlu (Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung in Darmstadt) überzeugten mit dem „Aufbau einer Methode zur Erkennung von Verschleißzuständen in mehrstufigen Blechumformprozessen anhand In-situ aufgezeichneter Prozessgrößen“. Dieses System zur digitalen Erkennung von Werkzeugverschleiß in mehrstufigen Umformprozessen ermöglicht eine prädiktive Instandhaltung auf Basis von Echtzeitdaten. Es ist ein wegweisender Schritt zur intelligenten Prozessüberwachung in der Umformtechnik.
Die ausgezeichneten Arbeiten verbänden wissenschaftliche Exzellenz mit praktischer Relevanz und zeigten, wie Innovation in konkreten Lösungen sichtbar werden, so der neue EFB-Präsident Dr.-Ing. Jens Bunte während der Preisverleihung.
Eine begleitende Ausstellung lieferte konkrete Beispiele für die Umsetzung des Forschungs- und Entwicklungsengagements blechverarbeitender Unternehmen in Deutschland und Europa.
Rückblick und Ausblick auf das nächste Kolloquium
Auf der im zweitägigen Kolloquium integrierten Mitgliederversammlung der Europäischen Forschungsgesellschaft für Blechverarbeitung e.V. wurde der Geschäftsführer der Wilhelm Böllhoff GmbH & Co., KG, Dr.-Ing. Jens Bunte, zum neuen Präsidenten der EFB gewählt. Er sagte: „Ich freue mich sehr, die Präsidentschaft der EFB zu übernehmen und gemeinsam mit unseren Mitgliedern, dem Vorstand und der Geschäftsführung die Zukunft der Blechverarbeitung aktiv zu gestalten. Die EFB ist ein starkes Netzwerk für Forschung und Innovation. Diesen Weg möchte ich mit einem erweiterten Blick auf digitale Methoden weiterführen. Neben der Initiierung und Administration der Forschungsprojekte werden wir das Portfolio um konkrete Tools zum Beispiel im Bereich des Nachhaltigkeitsmanagements ergänzen.“ Bunte dankte darüber hinaus seinem Vorgänger Klaus Linning für sechs Jahre engagierte und weitsichtige Führung und würdigte dessen Arbeit: „Er hat wichtige Impulse gesetzt und die EFB mit großer Verlässlichkeit durch herausfordernde und bewegte Zeiten geführt. Ich freue mich darauf, auf dieses Fundament weiter aufzubauen.“
EFB-Geschäftsführer Daniel Rosenbusch weist unter anderem auf das nächste Kolloquium hin, das 2026 stattfinden wird: „Das Kolloquium hat eindrucksvoll gezeigt, wie entscheidend der persönliche Austausch zwischen Wissenschaft und Industrie ist, um gemeinsam zukunftsweisende Lösungen zu entwickeln. Die hier gewonnenen Impulse sind von zentraler Bedeutung für die Innovationskraft Deutschlands und Europas. Die starke Präsenz führender Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus der blechverarbeitenden Industrie bot ein inspirierendes Umfeld – mit vielfältigen Einblicken in aktuelle Trends der Fertigungstechnik: von modernen Pressensystemen über KI-gestützte Prozesse bis hin zur ressourcenschonenden Produktion. Wir freuen uns bereits jetzt auf das 44. EFB-Kolloquium am 15. und 16. April 2026 in Würzburg – unter dem Thema: ‚Grüne Produktion und KI – Innovationstreiber für die Blechverarbeitung von morgen‘.“
Foto: © AIF