Vor genau 20 Jahren haben drei damalige Wissenschaftler der Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik e.V. (GFaI) – Dr. Gerd Heinz, Dirk Döbler und Swen Tilgner – den Otto von Guericke-Preis der AiF 2001 für die Weiterentwicklung akustischer Bildgebungsverfahren erhalten. Die Grundidee dabei: Geräusche sichtbar machen.
„Der Otto von Guericke-Preis war für uns Anerkennung und Herausforderung zugleich, die Akustische Kamera für den industriellen Einsatz im Markt einzuführen“, sagt Dr. Frank Weckend, Geschäftsführer des AiF-Mitglieds GFaI, rückblickend. „Die Akustische Kamera ist das weltweit erste modular und flexibel einsetzbare System zur orts-, zeit- und frequenzselektiven Lokalisierung und Analyse von Schallquellen. Objekte von der Größe einer Grille bis hin zu ganzen Industrieanlagen können akustisch kartiert werden. Vergleichbar mit dem Schritt vom Thermometer zur Infrarotkamera erfand die GFaI damit ein neues Messinstrument zur Visualisierung von Schall“, erläutert Weckend die ausgezeichnete Entwicklung.
Von Beginn an erfolgreich
Bereits 2001 kaufte die Porsche AG die erste Akustische Kamera zur Optimierung und Lokalisierung von unerwünschten Schallquellen an ihren Fahrzeugen. Das Unternehmen war sofort überzeugt von der anwenderfreundlichen Lösung und deren stetiger Weiterentwicklung. „Die vertrauensvolle Zusammenarbeit besteht bis heute“, freut sich Frank Weckend.
Mittlerweile sind mehr als 400 Kamerasysteme der GFaI in unterschiedlichen Bauformen weltweit in Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Einsatz. Seit 2006 wird die Akustische Kamera durch die gfai tech GmbH – eine 100%ige Tochter der GFaI – vermarktet. „Wir haben damit ein neues Marktsegment etabliert, in dem inzwischen auch internationale Wettbewerber ihre Produkte für unterschiedliche Anwendungen anbieten“, erklärt der Geschäftsführer der GFaI.
Vielfältige Einsatzgebiete
Lärmreduzierung, Sounddesign und Fehlererkennung sind die drei Hauptanwendungsgebiete für die Akustische Kamera. Wichtiger Anwender ist die Automotive-Industrie, da hier häufig alle drei relevant sind: Die weitere Außengeräuschreduzierung von Fahrzeugen ist aufgrund immer strengerer Vorgaben eine große Herausforderung für die Autoindustrie; Klapper- und Pfeifgeräusche sind unerwünscht und Fehler lassen sich häufig an veränderter Geräuschentwicklung erkennen. „Dazu wird die Akustische Kamera bei der Fahrzeug-Vorbeifahrt, im Fahrzeuginnenraum, im Motoren- und Getriebeprüfstand und im Windkanal eingesetzt“, sagt Weckend.
Weitere Anwendungen ergeben sich bei der Lokalisierung von akustischen Störquellen in der Bau- und Umweltakustik, zur Bestimmung von Industrie- und Verkehrslärm und bei Schallmessungen an Maschinen und Anlagen. Aber auch die Optimierung von Haushaltsgeräten, Windkraftanlagen, Schienenfahrzeugen und Flugzeugen wird mit der Akustischen Kamera durchgeführt.
Aufbau der Akustischen Kamera
Die Akustische Kamera der GFaI besteht aus einer Mikrofonanordnung, Mikrofon-Array genannt, welche das Schallfeld der Messszene erfasst. Eine integrierte optische Kamera zeichnet die korrespondierenden Fotos oder Videos auf. „Mit einer speziellen Software werden dann aus den Daten akustische Karten errechnet und mit optischen Bildern überlagert. Die Orte der Schallentstehung können so klar bestimmt werden“, erläutert Frank Weckend die Funktionsweise.
Der konkrete Messaufbau variiert jeweils nach Einsatzweck und -umgebung. „Die Akustische-Kamera-Familie umfasst mittlerweile ein ganzes Spektrum verschiedener Mikrofon-Arrays, vom Handheld-System ‚Mikado‘ über Laborsysteme bis hin zu stationären Großarrays mit über 800 Mikrofonen“, sagt Weckend. „Und natürlich wird das System ständig weiterentwickelt.“ So wurde die optische Kamera im vergangenen Jahr beispielsweise um einen integrierten 3D-Scanner erweitert, der während des Messvorgangs ein 3D-Modell des Messobjektes erstellt. Damit können die akustischen Karten auf das 3D-Modell projiziert und noch anschaulicher dargestellt werden.
„Bereits vor 20 Jahren waren wir vom großen Nutzen der Ergebnisse dieses IGF-Projekts und der hervorragenden Arbeit unserer dafür ausgezeichneten Wissenschaftler überzeugt. Und der Otto von Guericke-Preis hatte uns in dieser Auffassung bestärkt. Heute wissen wir, dass wir damit Recht hatten und freuen uns sehr über den Erfolg“, resümiert GFaI-Geschäftsführer Weckend.
Weitere Informationen zur Akustischen Kamera, die 2005 auf Vorschlag der AiF zu den drei Nominierten für den Deutschen Zukunftspreis zählte, finden Interessenten unter: www.gfai.de/entwicklungen/signalverarbeitung/akustische-kamera.
Zum Otto von Guericke-Preis
Die AiF verleiht den Otto von Guericke-Preis einmal im Jahr für herausragende Leistungen im Rahmen der vorwettbewerblichen Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF). Sie wird im Innovationsnetzwerk der AiF und ihrer Forschungsvereinigungen organisiert und vom Bundeswirtschaftsministerium mit öffentlichen Mitteln gefördert. In diesem Jahr wird der Preis zum 25. Mal verliehen und die AiF nimmt dieses Jubiläum zum Anlass, in loser Folge über interessante Projekte oder ehemalige Preisträger und deren Entwicklung zu berichten. (di)
Fotos: © GFaI