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Einblicke 29
Große oder schwer zugängliche
Bauteile aus Verbundwerkstoffen,
wie beispielsweise Rotorblätter,
müssen aus Sicherheitsgründen in
regelmäßigen Wartungsintervallen
auf Materialermüdung und Ver-
schleiß kontrolliert werden. Professor
Chokri Cherif und seine Mitarbeiter
Eric Häntzsche und Tristan Ruder
vom Institut für Textilmaschinen und
Textile Hochleistungswerkstofftech-
nik der Technischen Universität Dres-
den haben einen Weg gefunden, um
diese kostenintensiven Prüfverfahren
in Zukunft überflüssig zu machen.
Sichere Überwachung
Die Forscher haben ein Verfahren
zur Integration textilbasierter Sen-
soren entwickelt, die in Form von
Fäden in textile Werkstoffe eingear-
beitet und danach zu sensorischen
Netzwerken verschaltet werden.
„Die Sensoren erlauben die präzise
Lokalisierung aller strukturkritischen
Veränderungen. So erkennen wir
frühzeitig potenzielle Schadstellen
und können aufwendige Folgere-
paraturkosten vermeiden.“, erklärt
Professor Cherif.
Mit der neuen Technologie ist eine
hundertprozentige Überwachung
der Composite-Bauteile möglich, so
dass Anlagen zu Prüfzwecken nicht
mehr stillgelegt werden müssen.
„Gerade bei Offshore-Windkraft-
anlagen können dadurch Kosten
deutlich reduziert werden. Einerseits
kann ich mehr Strom ernten, wenn
die Anlage länger am Wind bleibt,
und andererseits spart es Geld,
wenn Wartungsteams seltener
eingesetzt werden.“, erläutert Tristan
Ruder.
Ressourceneffiziente Produktion
Mit den textilbasierten Sensoren
wird mittelfristig auch eine Über-
dimensionierung der Bauteile aus
Sicherheitsgründen unnötig. Die
Bauteile sind dadurch weniger
anfällig gegenüber Beanspruchun-
gen, wie sie beispielsweise durch
unvorhersehbare stärkere Sturm-
böen auftreten können. Doch diese
Zugeständnisse an die Sicherheit
haben buchstäblich ihren Preis.
Neben einem gesteigerten Ressour-
cenverbrauch treibt die Überdimen-
sionierung auch die Fertigungskos-
ten in die Höhe.
„Wenn man aber genau beobach-
ten kann, was ein Bauteil macht,
ist eine Überdimensionierung
zukünftig nicht mehr nötig.“, sagt
Eric Häntzsche. „Das spart neben
Material auch Energie und senkt die
CO
2
-Emissionen bei der Produktion
der Rotorblätter.“
Branchenübergreifende Einsatz-
möglichkeiten
Die Ergebnisse des ausgezeichneten
IGF-Projekts sind auf dem Weg in
die industrielle Praxis. Die CARBON
ROTEC GmbH & Co. KG sieht als
Hersteller von Rotorblättern für Wind-
energieanlagen großes Potenzial in
der neuen Technologie und möchte
sie nutzen, um damit neue Absatz-
märkte zu erschließen. Insgesamt
können rund 300 kleine und mittlere
Unternehmen der Textil-, Beklei-
dungs- und Verbundfaserindustrie
die Projektergebnisse direkt umset-
zen und Alleinstellungsmerkmale für
internationale Märkte erarbeiten. Die
Forschungsergebnisse lassen sich zu-
sätzlich auf weitere Anwendungsge-
biete wie beispielsweise Composites
im Automobilbau, Textilbeton, Implan-
tate und Schutztextilien übertragen.
„Nachhaltiger Erfolg auf ganzer Linie!“,
ist Professor Cherif sicher.
In der Mediathek der AiF finden
Sie einen 3-minütigen Film zum
Projekt sowie zu den anderen
beiden Finalisten für den Otto von
Guericke-Preis 2015.
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Einblicke
Sensoren für effiziente
Windenergie
Deutschland ist auf dem Weg, seine Energieversorgung
umzubauen – weg von fossilen Energieträgern und Kern-
energie hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung
mittels erneuerbarer Energien aus Wind, Sonne oder Bio-
masse. Im letzten Jahr hatte allein die Windenergie einen
Rekordleistungszuwachs von 4,9 Gigawatt, das entspricht
der Leistung von fünf großen konventionellen Kraftwerken.
Ein Forscherteam hat im Rahmen der Industriellen Gemein-
schaftsforschung (IGF) ein Verfahren für die kontinuierliche
Überwachung von Windkraftanlagen entwickelt. Für diesen
Beitrag zu einer erfolgreichen Energiewende erhielten die
Wissenschaftler den Otto von Guericke-Preis 2015, den die
AiF für herausragende Leistungen in der IGF vergibt.
„Wir freuen uns, dass wir
mit diesem IGF-Projekt
zeigen konnten, dass es
im Bereich der Textil-
industrie zukunftweisen-
de Innovationen gibt, die
insbesondere dem Mittel-
stand zugutekommen.“
Die Otto von Guericke-Preisträger 2015:
(v.l.) Eric Häntzsche, Prof. Chokri Cherif und Tristan Ruder