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Drei Finalisten für den Otto von Guericke-Preis 2023 ausgewählt

Der Otto von Guericke-Preis wird am 15. November 2023 in Berlin zum inzwischen 27. Mal für herausragende Leistungen in der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) verliehen. Die AiF vergibt die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung seit 1997 einmal im Jahr. Die vorwettbewerbliche und branchenübergreifende IGF wird von dem Forschungs- und Transfernetzwerk AiF und ihren 101 Forschungsvereinigungen koordiniert. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) fördert IGF-Projekte mit rund 180 Millionen Euro im Jahr.

Eine unabhängige, hochkarätige Jury hat die Finalisten ausgewählt. Sie werden sich und ihre Forschungsarbeiten im Rahmen des AiF-Innovationsdialogs in der deutschen Hauptstadt präsentieren. In den folgenden Kurzportraits können Sie sich ein erstes Bild von den nominierten Projekten machen.
 

Team „Schmierstoffmikrokapseln“

Nahezu ein Viertel des weltweiten Energieverbrauchs können auf Reibungsverluste zurückgeführt werden. Schmierstoffgefüllte Mikrokapseln für Kunststoffe schaffen beispielweise bei Schiebetüren, Gleitschienen oder Zahnrädern aus Kunststoff eine erhebliche Reibungsreduktion: Wenn bei dem Bauteil Reibung entsteht, brechen die Kapseln auf und setzen den Schmierstoff frei. Das Bauteil schmiert sich damit selbst. Die Kapselwände müssen bei der Einarbeitung in den Kunststoff sehr hohe Temperaturen überstehen, ohne sich zu öffnen. Um Bauteile mit hohen mechanischen und thermischen Eigenschaften zu erhalten, wurden verschiedene technische Kunststoffe sowie eine zusätzliche Faserverstärkung untersucht. Forschungsziel von Moritz Grünewald vom SKZ - Das Kunststoff-Zentrum in Würzburg und Dr. Alexandra Latnikova vom Potsdamer Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP war die Entwicklung besonders langlebiger und energiesparender Kunststoffe ohne die Verwendung von derzeit gebräuchlichen Fluorkunststoffen wie bspw. auch die in Kritik geratenen Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS). Untersuchungen an Kunststoff-Stahl-Paarungen machten einen Verschleißrückgang von 85 Prozent sichtbar. Die Bauteile halten somit deutlich länger und erzeugen weniger Mikroplastik. Das Projekt wurde von dem AiF-Mitglied Fördergemeinschaft für das Süddeutsche Kunststoff-Zentrum e.V. - FSKZ koordiniert.

Team „Stahlverbindungen“

Hochfeste Stahlklebverbindungen materialerhaltend zu trennen, ist nach wie vor eine große Herausforderung. Die hohen Festigkeiten und Zähigkeiten sowohl der Stahlwerkstoffe und auch der Klebstoffe erschweren - zum Beispiel im Falle einer Karosserieinstandsetzung - ein ökonomisches Entfügen. Prof. Dr.-Ing Gerson Meschut und Nick Chudalla vom Laboratorium für Werkstoff- und Fügetechnik der Universität Paderborn sowie Prof. Dr.-Ing. Tim Michael Wibbeke und Dr. Aurélie Bartley vom Lehrgebiet Fertigungstechnologie Mechatronik der Hochschule Hamm-Lippstadt untersuchten das Entfügen von Klebverbindungen bei tiefen Temperaturen unterhalb der gängigen Einsatzgrenze etablierter Klebstoffe von - 40 °C. Analytische und experimentelle Untersuchungen zeigten, dass das kraftarme Entfügen bei tiefen Temperaturen sowohl für die Stahlbauteile als auch für angrenzende und zu erhaltende Klebschichten schonend ist. Die Projektergebnisse zum Entfügen weiterer Klebverbindungen sind über den Karosseriebau hinaus branchenübergreifend wirksam. Das Entfügen bei tiefen Temperaturen wurde mittels des von einem Unternehmen aus dem PA bereitgestellten Gerätes zur Kühlung sichergestellt und konnte an realen Fahrzeugstrukturen erfolgreich getestet werden. Dieses PA-Mitglied hat das untersuchte Tieftemperatur-Entfügen mittlerweile praxistauglich weiterentwickelt. Das automatisierte Entfügen bei tiefen Temperaturen hat ebenfalls ein großes Potenzial in der Werkstoffkreislaufwirtschaft. Das Projekt wurde von dem AiF-Mitglied Forschungsvereinigung Stahlanwendung e. V. - FOSTA koordiniert.

Team „Lacktropfen“

„Overspray“ ist kein neues Deodorant und trotzdem kennt es wohl jeder: Sprühnebel, der beim Lackieren eine deutliche Verschmutzung und damit erhebliche Lackverluste verursacht sowie eine komplexe Reinigung und Entsorgung nötig macht. Auch ein ausgewähltes Beschichten von Teilflächen ist dadurch unmöglich. Ein Lösungsschritt ist die Erzeugung von Einzeltropfen in Applikationsdüsen, allerdings muss das Lackmaterial dazu besondere Voraussetzungen mitbringen: Franz Balluff und Thomas Hess vom Stuttgarter  Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA untersuchten Lackeigenschaften zur Tropfenerzeugung und erarbeiteten Vorgaben für Lacke und Düsen mit den Zielen: Mehrfarbenlackierung, selektiver Korrosionsschutz und vollständige Overspray-Vermeidung. Manuelle Prozessschritte wie schützendes Abdecken (Maskieren) werden überflüssig und Lackierkabinen wegen reduzierter Zuluftanforderungen kompakter und flexibler. Das Projekt wurde vom AiF-Mitglied Forschungsgesellschaft für Pigmente und Lacke e.V. – FPL koordiniert.
 

Vielleicht haben Sie schon einen ganz persönlichen Favoriten? Aber abwarten: Erst am Abend des 15. November steht das Forscherteam fest, das den Otto von Guericke-Preis 2023 stolz entgegennehmen darf. Wir halten Sie in den kommenden Wochen weiter auf dem Laufenden und stellen die Finalisten und ihre Forschungsarbeiten auf unserer Website und den Social-Media-Kanälen @aifdigital ausführlicher vor. (frd)